Liebe Leute, es hat sich eine Menge getan in den letzten Wochen. Wie ihr auf meinen Social Media Kanälen sehen konntet, bin ich seit Ende März wieder in Deutschland.
Ein kurzer Blick zurück: Zum Ende des Jahres 2019 hatte ich meinen Job gekündigt, um gemeinsam mit meinem Freund auf Reisen zu gehen. Zunächst ging es in die Dominikanische Republik, dann nach New York und von dort aus nach Südafrika.
Das Thema Corona haben wir von Anfang an sehr aufmerksam verfolgt. Zum einen, weil wir generell viel Nachrichten schauen und lesen. Das ist für uns normal. Aber eben auch, weil wir keine fixe Reiseroute geplant hatten und spontan entscheiden wollten, wohin es ging. Da macht es umso mehr Sinn, sich über das aktuelle Geschehen auf dem Laufenden zu halten.
In der Dominikanischen Republik war das Thema so gut wie nicht existent. Ende Januar, in New York, waren Mundschutzmasken dann aber bereits überall vergriffen. Bei der Einreise nach Südafrika am 9. Februar gab es zwar noch keinen einzigen Fall im Land, dennoch wurden wir bereits mit Temperaturchecks begrüßt. Wir haben eine lange Zeit in Südafrika verbracht. Dort gab es weiterhin kaum bestätigte Fälle, während die Lage in anderen Teilen der Welt immer ernster wurde. Anfang März fasste ich meine Gedanken zum Thema in einem Blogbeitrag zusammen.
In Kapstadt traf ich mich mit Diabetic Tim, um mit ihm eine Episode für seinen Diabetes-Podcast aufzunehmen. Zur Begrüßung umarmten wir uns – wir waren uns zuvor zwar noch nie begegnet, aber sind seit langem über Instagram in Kontakt. Für mich war die Umarmung normal und angebracht, schließlich habe ich mich riesig gefreut, einen Online-Diabuddy im echten Leben zu treffen. Im Podcast sollte es nur um allgemeine Themen und meine eigene Diabetes-Geschichte gehen. Doch das Thema Corona war so präsent, dass wir spontan auch ein IGTV-Video dazu gefilmt haben. Unser beider Einstellung zum Thema: Wir nehmen es ernst, aber sind zuversichtlich. (Wenn ihr euch das mitterweile schon komplett veraltete Video noch anschauen wollt, könnt ihr das hier tun.)
Wenige Tage später trafen wir uns wieder. In der Zwischenzeit hatte sich alles geändert. Wir begrüßten uns mit einem Ellenbogen-Bump und konnten einander direkt ansehen, wie viel Angst wir hatten. Was war passiert? In der Zwischenzeit mehrten sich die Nachrichten, dass die Situation in Italien so eskaliert war, dass Triage angewendet werden musste. Dass also gesunde Menschen, solche mit den besten Heilungschancen, bevorzugt wurden und Menschen mit Vorerkrankungen zum Teil nicht mehr behandelt, zum Teil nicht einmal mehr untersucht werden konnten.
Als ich davon erfuhr, wurde in mir ein Schalter umgelegt. Ich hatte riesige Angst, um mich selbst und um andere, und ich konnte an nichts anderes mehr denken. Ich schaute Unmengen an Nachrichtensendungen, recherchierte im Internet und drangsalierte Freunde und Familie in Deutschland, die Lage ernster zu nehmen und sich zu isolieren. Zwei der wichtigsten Personen in meinem Leben, wohnen in einem Seniorenheim. Selbst dort rief ich an und drängte auf Sicherheitsvorkehrungen, wurde aber ganz entspannt abgewimmelt. In Deutschland war man irgendwie noch nicht so weit. Die meisten meiner Kontaktpersonen waren jedenfalls noch weitgehend unaufgeregt und verstanden meine Panik nicht. Ich bin ehrlich: Das war für mich nur sehr schwer zu ertragen.
Gleichzeitig stand die Frage im Raum: Wie geht es mit unserer Reise weiter? Eigentlich hatten wir uns mittlerweile Indien als nächstes Ziel gesetzt. Doch da begannen die ersten Länder, Einreisestopps zu verhängen und ich befürchtete, dass auch Deutschland darunter fallen würde. So war es dann auch und zum Glück hatten wir im letzten Moment von einer Buchung abgesehen.
Die einzige fixe Buchung, die wir zu diesem Zeitpunkt hatten, war unsere Safari. Daran wollten wir festhalten, schließlich gab es in Südafrika noch immer kaum Fälle und tief im Busch wähnten wir uns sicher. Doch wie es danach weiter gehen sollte, wussten wir einfach nicht.
Zu diesem Zeitpunkt waren wir wirklich nicht sicher, ob wir nach Deutschland zurück wollen. Die Fälle mehrten sich immer dramatischer, doch die Reaktionen waren (zumindest in meinen Augen) mehr als lahm. Während unsere Nachbar*innen in Italien größtes Leid ertragen mussten. Ich war sicher, dass es Deutschland bald genauso gehen würde.
Südafrika war hingegen bisher noch fast verschont geblieben. Zudem ist das Land (traurigerweise) sehr krankheitserprobt. Ein großer Teil der Bevölkerung hat Tuberkulose und so gehört Desinfektionsmittel in Restaurants, Supermärkten und Taxis zur Normalität. Das gab mir ein gutes Gefühl. Auf der anderen Seite war uns natürlich bewusst, dass das Land und insbesondere das Gesundheitssystem einem waschechten Corona-Ausbruch nicht würden standhalten können. Zudem verunsicherten uns die entspannte Einstellung der Südafrikaner*innen (à la „Gott wird es schon richten.“ und „You can’t run from death.“) und die vielen Verschwörungstheorien, von denen sie uns erzählten.
Unsere Safari kam näher und gleichzeitig wurden die weltweiten Reisebewegungen immer weiter eingeschränkt. In meinem Kopf kam aber auch der Höhepunkt des Ansteckungsgeschehens und die Überlastung des deutschen Gesundheitssystems immer näher. Wollen wir wirklich jetzt zurück nach Deutschland? Mitten ins Chaos, während hier noch Ruhe herrscht? Aber wie lange können wir überhaupt noch zurück? Was, wenn wir hier feststecken?
Uns war klar, dass wir während der Safari von der Außenwelt abgeschnitten sein würden. Kein fließendes Wasser, kein Strom, kein Internet, kein Telefonempfang. In einer Zeit, in der sich die Welt von Tag zu Tag komplett änderte, war das ein gruseliges Gefühl. Also buchten wir einen stornierbaren Flug nach Deutschland für den Tag nach unserer Safari. So konnten wir uns alle Optionen offenhalten und machten uns auf in Richtung Busch, ganz nah an der Grenze zu Botswana.
Dort hatten wir eine großartige Zeit. Die Safari war toller, als ich sie mir je hätte vorstellen können. Doch obwohl wir mehr Angst vor den Löwen hätten haben sollen, die nachts vor unserem Camp brüllten, machten uns unsere Mitreisenden Sorge. Womit wir nämlich nicht gerechnet hatten: Sie waren alle gerade erst, z.B. aus Frankreich und Großbritannien, eingereist – und das obwohl auch dort die Lage schon extrem ernst war. Deren Entscheidung, zu diesem Zeitpunkt noch von Ländern mit hohen Infektionsraten nach Südafrika zu fliegen war für mich vollkommen unverständlich. Tatsächlich gaben viele damit an, sich grade eben noch ins Land hineingemogelt zu haben. Natürlich waren alle sicher, nicht krank zu sein und demnach niemanden in Gefahr zu bringen – aber gerade das ist halt der Mist bei diesem Virus!
In einem kleinen Camp ohne fließendes Wasser auf Abstand und Hygiene zu achten, ist nicht so einfach. Wir gaben unser Bestes, konzentrierten uns aber darauf, die Erfahrung dort zu genießen. Trotz der Abgeschiedenheit tröpfelten dennoch die Nachrichten rein: Alle Reisenden, die vor weniger als vier Wochen nach Südafrika eingereist waren, müssen das Land verlassen. Unsere Mitreisenden mussten ihre Reisen abbrechen und die Heimreise organisieren. Wir hingegen durften im Land bleiben, weil wir schon länger als einen Monat da gewesen waren. Die Entscheidung wurde also nicht für uns getroffen – wir zermaterten uns dementsprechend weiterhin den Kopf.
Im Camp selbst war die Stimmung auch immer gedämpfter. Obwohl die Gegend so fern ab vom Schuss war und die „echte Welt“ inklusive Corona sich unendlich weit weg anfühlte, waren die Konsequenzen dramatisch: Fast alle anderen Buchungen wurden storniert und schnell war klar, dass das Camp schließen muss. Als diese Nachricht verkündet wurde, stand ohnehin unsere Abreise an, sodass der Abschied besonders emotional war.
Und noch immer hatten wir unsere Entscheidung nicht getroffen. Auf dem Rückweg hatten wir durch einen Platten besonders viel Zeit, uns darüber Gedanken zu machen. Nachdem der Reifen endlich gewechselt war, legten wir einen kleinen Boxenstopp an einer Autobahnraststätte ein. Dort wurden wir von einem Mitarbeiter begrüßt, der uns die Hände desinfizierte und erst im Anschluss daran Eintritt ins Restaurant gewährte. Südafrika macht einiges richtig. In Deutschland habe ich seit meiner Rückkehr Ähnliches höchstens in Apotheken erlebt.
Am Ende ließen wir uns in unser Flughafenhotel fahren und beschlossen, den Flieger am nächsten Tag zu nehmen. Es gab keinen bestimmten Moment, in dem die Entscheidung gefallen war. Mein Bauchgefühl sagte mir einfach, dass ich in der Nähe meiner Familie sein sollte. Die Vorstellung, dass meine Angehörigen schwer erkranken und ich auf einem anderen Kontinent fest hänge, war zu furchtbar. Hinzu kam die positive Nachricht unserer Untermietenden aus Berlin, dass sie unsere Wohnung vorzeitig verlassen hatten und wir diese wieder beziehen könnten. Das machte vieles einfacher.
Also saßen wir am nächsten Tag im Flieger – gemeinsam mit vielen, vielen anderen Menschen. Der Flug war vollkommen überbucht, am Flughafen herrschte Chaos. Viele andere Flüge waren storniert worden, alle wollten schnell aus dem Land raus. Die Stimmung im Flugzeug war nicht viel besser. Die Flugbegleitenden waren so unfreundlich, wie ich es noch nie erlebt habe. Wir hatten keine Masken, also mussten Tücher herhalten. Von Desinfektionsmittel war im Flieger keine Spur. Immer wieder musste ich an die Autobahnraststätte mitten im nirgendwo denken. Die hatten es geschafft, welches zu besorgen. Die Lufthansa nicht. Traurig. Auch die Passagiere nahmen keine Rücksicht aufeinander, rempelten sich gegenseitig an. Aber wenn wir mal ehrlich sind, ist es eh unmöglich, in so einer Sardinenbüchse Abstand voneinander zu halten.
Nach etwa zehn Stunden war es endlich geschafft: In den frühen Morgenstunden hatten wir deutschen Boden unter den Füßen. Begrüßt wurden wir … nicht. Am Frankfurter Flughafen, dem wichtigsten, größten und modernen Flughafen Deutschlands wohlgemerkt, gab es keine Temperaturchecks, keine Hinweise, keine Warnungen. Statt dessen enge Menschenansammlungen der feinsten Art an der Passkontrolle und am Gepäckband. Pandemie? Nix von gehört. Mich hat das unendlich geärgert.
Aber was soll’s? Wir setzten uns in unseren Mietwagen und machten uns auf. Der Tag wurde sehr lang: Zunächst ging es nach NRW. Dort hatten Timos Eltern unser Hab und Gut bereit gestellt. Meine Mutter hatte meine Sachen am Tag zuvor mit mir via Skype gepackt und dann zu Timos Familie gebracht. Dort gabelten wir die Kartons auf und winkten höflich zur anderen Straßenseite. Sich nach so langer Zeit nicht umarmen zu können, war hart. Meine eigene Familie habe ich überhaupt nicht sehen können. Die restliche, lange Fahrt bis Berlin habe ich deshalb abwechselnd mit deutschen Brezeln und Heulkrämpfen verbracht. Am Nachmittag waren wir endlich in der Hauptstadt angekommen. Eine Freundin hatte grandioserweise für uns eingekauft, auch dieser konnten wir aber natürlich nur mit Abstand winken. Für uns war das alles so neu und ungewohnt. Wir waren in eine vollkommen neue Welt zurückgekehrt.
Am nächsten Morgen wachte ich auf und brauchte einen langen Moment, um zu realisieren, wo ich war. In meinem eigenen Bett zu liegen war absolut surreal.
Mittlerweile haben wir uns wieder in Berlin eingelebt. Es hat rund einen Monat gedauert, aber nun haben wir wieder eine Art Rhythmus und genießen die Zeit weitgehend. In Deutschland sind wir gut aufgehoben und müssen uns erst einmal um nichts Sorgen machen. Außer um meine Sauerteigstarter, die einfach nicht so wollen, wie ich!
Ich kann euch gar nicht sagen, wie ich froh ich bin, wieder hier zu sein. Die Vorstellung, jetzt noch in Südafrika sein, ist total unwirklich. Kaum zu glauben, dass wir darüber tatsächlich nachgedacht haben.
Dort schlägt man sich bisher übrigens einigermaßen gut. Die schlimmste Katastrophe konnte bisher verhindert werden. Auch in Deutschland ist die Situation glücklicherweise nicht so schlimm, wie ich es befürchtet hatte. Ich irre mich nur ungern, aber in diesem Fall bin ich unglaublich froh, falsch gelegen zu haben. Möge es dabei bleiben! Umso wichtiger, dass wir alle weiterhin unseren Beitrag leisten, viel zuhause bleiben und Kontakte vermeiden.
Dass wir nicht weiter reisen können, ist schade. Aber es gibt momentan einfach Wichtigeres! Wir hatten so oder so eine tolle Zeit. Wann das Reisen wieder möglich sein wird, steht in den Sternen. Bis dahin schwelge ich in Erinnerungen und werde vielleicht auch noch hier auf dem Blog von unserer Zeit in New York und Südafrika berichten. Erst einmal hoffe ich nun aber, dass es euch allen da draußen gut geht. Denkt daran: Es kommen auch wieder andere Zeiten. Ihr seid nicht allein. Wir schaffen das. <3
2 Comments
Dieter Zinke
19. Mai 2020 at 20:17Tja,liebe Steffi,
glücklicher Weise fallen die gemeldeten Neuinfektionen weiter.
Ich persönlich finde es aber nicht in Ordnung,dass so früh schon wieder die Landesgrenzen geöffnet werden.
Abgesehen davon,bin ich gespannt,was in ca. 14 Tagen,also nach dem Vatertag mit den Zahlen der Neuinfektionen passiert.Sehr viele Menschen bewegen sich z.Zt. in Richtung Küste.
Möge die Vernunft siegen.
Alles Gute für Dich (Euch),und bleibt gesund.
Dieter
Steffi
19. Mai 2020 at 22:43Lieber Dieter,
so ein Glück. Selten war ich so froh, mich geirrt zu haben. Mir geht das nun auch alles viel zu schnell und ich hoffe, dass wir dafür nicht die Quittung bekommen. Immerhin hatten auch die Ostertage nicht die Konsquenzen, die ich befürchtet hatte. Hoffentlich klappt es auch mit dem Vatertag!
Alles Gute für Dich und bis bald!
Steffi