Piieep, piieep, piiep! Das Wort „Alarm“ ruft eigentlich durchweg negative Assoziationen hervor. Logisch, schließlich signalisieren Alarme immer Gefahr. Das ist auch in der Welt des Diabetes nicht anders. Dennoch horcht man „hierzulande“ auf: Alarmfunktion? Will ich! Brauche ich! Oder auch nicht?
Die Alarmfunktion – das war DAS Feature, welches vielen Menschen mit Diabetes beim FreeStyle Libre immer fehlte. Klar, das Gerät hat viele Fans. Auch ich persönlich habe es jahrelang begeistert genutzt. Doch letztlich trennten sich unsere Wege dann doch. So praktisch und verlässlich es für meine Diabetes-Therapie lange Zeit auch war – seit ich eine Hypowahrnehmungsstörung entwickelt hatte, war das FreeStyle Libre einfach nicht mehr genug.
Doch nun zieht Abbott nach und präsentiert: die zweite Generation des FreeStyle Libre! Seit Oktober ist die Nachricht offiziell, seit Dezember ist das Gerät auf dem Markt. Neben einigen anderen Bloggerinnen und Bloggern wurde auch mir ein kostenloses Testset zur Verfügung gestellt. So bin ich also wieder mit dem „runden, weißen Ding am Arm“ vereint und konnte mir bereits einen ersten Eindruck vom System verschaffen.
Das FreeStyle-Libre-2-System
Das System besteht, wie schon bei der ersten Generation, aus einem Sensor und einem Lesegerät. Dieses ist zur Nutzung des Systems momentan notwendig, da es leider noch keine App zum Auslesen des Sensors gibt.
Die App stellt Abbott erst für Q2 2019 in Aussicht. Für viele Nutzer ist dies mit Sicherheit erst einmal ein großer Rückschritt – schließlich hat man sich mittlerweile sehr daran gewöhnt, die Glukosekurve auf dem Handydisplay zu sehen. Nun müssen wir also warten, bis Abbott die entsprechende App veröffentlicht.
Oder vielleicht auch nicht – denn bekanntlich wartet die Diabetes-Community nicht gerne und wird vielleicht noch vor Abbott unter dem Motto #wearenotwaiting eine inoffizielle Lösung finden und zugänglich machen. Ich bin gespannt, wer das Rennen macht!
Bis dahin braucht man also das brandneue FreeStyle-Libre-2-Lesegerät. Äußerlich hat sich nur die blaue Farbe geändert, aber innen wurde natürlich getüftelt und endlich gibt das Gerät die langersehnten Alarme ab.
Die Alarmfunktionen beim FreeStyle Libre 2
Das FreeStyle Libre 2 bietet drei verschiedene Alarme: „Niedriger Glukosewert“, „Hoher Glukosewert“ und „Signalverlust“. Eine vorausschauende Alarmfunktion gibt es leider nicht. Es werden konkrete Grenzwerte festgelegt, die angepasst werden können. Wichtig: Die Alarme sind optional – das heißt, sie können allesamt oder einzeln ein- oder ausgeschaltet werden.
Ich persönlich finde das toll, denn wir Menschen mit Diabetes sind nun mal keine homogene Masse. Jede*r von uns ist unterschiedlich, hat andere Bedürfnisse und Präferenzen. Manche Menschen wünschen sich Alarme, andere brauchen oder wollen sie nicht. Manche haben Angst vor Hypoglykämien, wollen aber von Hyperglykämie-Alarmen nicht genervt werden. Andere wünschen sich für die Nacht Alarme, fänden diese tagsüber im Büro aber störend.
Vieles davon lässt sich im Lesegerät einstellen. Und so kann man das System theoretisch auch nach dem Umstieg aufs FreeStyle Libre 2 genau so benutzen wie zuvor das FreeStyle Libre 1. Übrigens ist es auch möglich, die Lautstärke anzupassen oder sogar ganz lautlos zu stellen, so dass die Alarme lediglich auf dem Display oder per Vibration angezeigt werden.
Alarmfunktion, ABER …
So sehr ich mich über die neue Alarmfunktion gefreut habe, so schnell kam doch auch der erste Dämpfer. Denn das Gerät zeigt wirklich nur einen Alarm an, nicht aber den konkreten Messwert. Um den Glukosespiegel zu sehen, muss weiterhin der Sensor mit dem Lesegerät gescannt werden.
Zugegeben: Das ist nicht gerade ein Kraftakt. Aber das Lesegerät rauszuholen, den Knopf zu drücken und den Sensor zu scannen – ein paar Arbeitsschritte sind das schon. Deutlich praktischer wäre es, die Werte direkt auf dem Lesegerät zu sehen. Oder eben gleich auf dem Handy oder der Smartwatch.
Solche Funktionen, die ich einst als nettes Gimmick gesehen habe, sind für mich mittlerweile in Fleisch und Blut übergegangen. Sie bedeuten Lebensqualität. Schade, dass sowas beim FreeStyle Libre 2 noch nicht möglich ist. Aber es macht neugierig auf die dritte Generation, die hoffentlich nicht ewig auf sich warten lassen wird.
Messgenauigkeit beim FreeStyle Libre 2
Laut Angaben von Abbott wurde die Messgenauigkeit beim FreeStyle Libre 2 deutlich verbessert: Die Werte sollen über die komplette Tragedauer genauer sein – also sowohl an Tag 1 als auch an Tag 14.
Kalibrierungen sind weiterhin nicht notwendig, aber leider auch noch immer nicht möglich. Sollten Nutzerinnen und Nutzer also dennoch Probleme mit der Messgenauigkeit ihrer Sensoren haben, können sie diese nicht durch Kalibrierungen verbessern.
Mein erster Eindruck vom Freestyle Libre 2
Bis jetzt verhält sich das Freestyle Libre 2 genau so, wie ich es erwartet hatte. Da ich auch bei ersten Generation nur selten Probleme mit sich ablösenden Pflastern, Allergien oder ungenauen Messwerten hatte, erwarte ich hier für mich persönlich keine größeren Überraschungen. Ich vermute allerdings, dass das nicht bei allen Nutzerinnen und Nutzern der Fall sein wird. Aus der Community hört man schon die ersten kritischen Stimmen zur Messgenauigkeit und zu Hautreaktionen.
Die Alarmfunktion empfinde ich bisher als recht zuverlässig. In der aktuellen Vorweihnachtszeit komme ich vor allem in den “Genuss” der “Hoch”-Alarme (welche in der Regel durch Dominosteine ausgelöst werden).
Eigentlich sind nächtliche Unterzuckerungen bei mir in den letzten Monaten zur Seltenheit geworden. Aber anscheinend möchte mein Körper das Libre 2 wirklich gründlich testen und hat in den vergangenen Nächten deshalb ein paar Hypos zum Besten gegeben. Von zwei verschiedenen Geräten nachts wachgeklingelt zu werden, ist wirklich kein Vergnügen. Aber spannend ist es allemal! Mal bimmelt das Libre zuerst, mal legt der Dexcom vor. Aber beide tun, was sie sollen.
Eine Enttäuschung ist in meinen Augen die mangelnde Konnektivität beim Freestyle Libre 2. Dass nur ein Alarm, nicht aber der Glukosewert angezeigt wird, hat mich negativ überrascht. Von Verbindungen zu Apps und Insulinpumpen ganz zu schweigen. In Zeiten von #wearenotwaiting und #diy muss mehr Fokus auf zukunftsträchtige, patientenorientierte und konnektive Technologien gelegt werden!
Aber nun überhaupt erstmal Alarme zu bekommen, ist ein guter Fortschritt für das Libre. Ich freue mich, dass dadurch bald so viele Menschen mit Diabetes von Alarmen profitieren können. Denn Abbott hat mit dem Libre wirklich große Massen erreicht. Da die Kosten im Vergleich zur ersten Generation stabil bleiben, sollten hoffentlich möglichst viele Nutzer das Upgrade zum Libre 2 und somit Zugang zu optionalen Alarmen bekommen. Das ist eine tolle Nachricht!
PS: Alarmfunktion hin oder her! Die BESTE Nachricht ist natürlich, dass die Größe des Lesegeräts und des Sensors genau gleich bleibt, sodass die wunderbar bunten Sticker noch immer perfekt passen!
Disclaimer: Mir wurde das Freestyle Libre 2 kostenlos von Abbott zur Verfügung gestellt. Ihr lest wie immer meine eigene Meinung in meinen eigenen Worten.
Dieser Artikel ist auch in der Blood Sugar Lounge erschienen. Meine weiteren Artikel für die Blood Sugar Lounge findet ihr hier.
Meine Sticker für das Freestyle Libre sind hier erhältlich: shop.pepmeup.org!
7 Comments
Freestyle Libre - Erfahrungsbericht - PEP ME UP Diabetes Blog
2. April 2019 at 7:58[…] Mittlerweile gibt es nun auch das Freestyle Libre 2 – meinen ersten Eindruck von dem System teile ich hier. […]
Andreas Büchelhofer
12. April 2019 at 13:27Hallo Steffi! I
ch bin auch Typ 1 und trage das FreeStyle Libre 2. Der Grund warum m.E. auch in Zukunft kein Messwert gleichzeitig mit der Warnung angezeigt werden wird liegt darin, dass das der Libre2 Sensor sehr sehr klein ist und daher (Akku!) nicht ständig BlueTooth connected sein kann. Daher wird nur durch einen einzelnen Parameter, der durch den Sensor gemessen wird, eine Warnung aussendet. Dieser Parameter ist relativ ungenau und wie erst durch einen Algorithmus in Verbindung mit weiteren Parameter (Hauttemperatur etc.) die über NFC ausgelesen werden im Messgerät (und nicht im Sensor) zu einen validen Messwert umgerechnet. Das ist auch der Grund warum alle Workarounds (ich selbst habe bei einem StartUp mitgearbeitet um das zu bewerkstelligen) wie der BlueReader oder das Ambrosia System nur sehr ungenaue Werte in Echtzeit abbilden können.
Mit dem FreeStyle Libre hat man halt ein sehr einfaches kostengünstiges System, dass auch sehr sehr klein ist mit dem Nachteil nach der Warnung nochmals genau „gucken“ bzw. darüber streichen zu müssen! Für mich ist die Kleinheit des Sensors ein sehr wichtiger Punkt, vor allem bei Sport.
Lieben Gruß aus München
Andreas
Norbert
11. Juli 2019 at 19:09Hallo.
Ich möchte zu Freestyle libre 2 einen kleinen Kommentar abgeben.
Ich die erste Generation problemlos benutzt und war zufrieden.
Bei der Generation 2 ist es leider so, daß man Bluetooth nicht abschalten kann.
Da kommt eine Akku Laufzeit von 2-3 Tagen raus.
Das ist völlig unrealistisch, weil offensichtlich der alte Akku weiter verbaut wird.
Es sollte eine Möglichkeit geboten sein, Bluetooth genauso abschalten zu können wie die Alarme.
Bei jedem Handy geht das.
Das ist EDV technisch ein Rückschritt.
Leider gibt es keinen alternativen Anbieter.
Ich bin der Version 2 in dem Zustand absolut unzufrieden.
Johannes
5. Januar 2020 at 23:27ja der Akku ist unter aller Kanone. Da hat Abbott echt am falschen Ende gespart. Und nach Murphys Gesetz ist er immer dann alle wenn es wichtig wäre oder ich es gerade nicht aufladen kann.
Maike
25. Juli 2019 at 12:56Hallo,
das Libre2 ist überhaupt mein erstes Messsystem seit 50 Jahren, vorher bin ich mit Daumenpeilung bequem aber sträflich ungesund gefahren. Für mich ist es ideal, Trendpfeil und Werte eine große Hilfe, vor allem, weil ich gerade meine Basaldosis anpasse (von NPH auf Glargin umgestiegen). Den Alarm – ich weiß gar nicht, wie ich früher nachts ohne ausgekommen bin, das heißt, ich ahne es 🙁 – habe ich nur für Hypos eingestellt und wenn’s bimmelt, weiß ich, dass die untere Grenze erreicht ist, da brauche ich erst mal gar keinen Messwert zu sehen. Daher stört mich das überhaupt nicht.
Das einzige, was ich beim Lesegerät nervig finde sind diese Meldungen oben links (demnächst hoher Wert, Wert demnächst zu niedrig und ähnlicher nerviger Unsinn). Das weiß doch jede Typ 1erin selbst und es verdeckt die interessanteren Infos wie Uhrzeit und Batterieladezustand.
Auch wenn es sicherlich noch Luft nach oben gibt, für mich passt es.
Wolfgang Kammerer
1. August 2019 at 13:15Hallo, kann mir jamand sage ob die venil aufkleger bei amazon für €1,79 nit denorginal freestyt libre 2 gerät kompartibel ist
Gisela Eisenbach
18. Dezember 2019 at 10:24Leider gab es mit den Sensoren folgende Probleme: Noch vor Ablauf der 14 Tage kam die Mitteilung bitte starten sie einen neuen Sensor. Dies ist 3 mal passiert, einmal schon nach 2 Tagen. Lt. Auskunft von Abbott geschah dies aus Sicherheitsgründen um die Meßsicherheit zu gewährleisten. Offenbar wurde die Firmware inzwischen geändert und dies zu Lasten des Nutzers. 2 Tage vor Ablauf des Sensors hat dieser ein 3-fach höheren Wert angezeigt als tatsächlich im Blut gemessen wurde. Dies führte zu einer extremen Unterzuckerung, mit dem Ergebniss Notfallaufnahme in der Klinik!
Abbott hat zwar für seine Android App geworben aber vergessen zu erwähnen, das Smartphone muß NFC fähig sein.Leider kann mein Smartphone nur Bluetooth.
Mein Vertrauen zu Freestyle Libre 2 ist jedenfalls zutiefst erschüttert. Abbott hat bisher auf meine Mitteilung zu dem Vorfall nicht reagiert.