Ich liebe es, zu feiern. Dafür kommt mir jeder Anlass gelegen.
Geburtstage zu feiern ist das eine. Es ist toll, darüber nachzudenken, wie lange wir schon auf dieser Welt sind und was wir in der Zeit alles erlebt haben. Ich bin im letzten Monat 25 Jahre alt geworden – ein bewegtes Vierteljahrhundert, für das ich unendlich dankbar bin.
Doch mittlerweile feiere ich noch mehr als meinen Geburtstag. Heute vor 7 Jahren habe ich die Diagnose Typ 1 Diabetes bekommen. Eigentlich wusste ich schon Bescheid. Schließlich hatte ich am Tag zuvor „Durst“ und „Müdigkeit“ bei Dr. Google eingegeben. Aber erst die Mediziner machten es offiziell und von da an hatte sich mein Leben schlagartig verändert.
Ist das nun ein Grund zu feiern?
Wenn man mal genau drüber nachdenkt, dann ist der Jahrestag der Diagnose, der „Diaversary“, etwas ganz Wertvolles. Es ist kein Geburtstag, ich wurde nicht neu geboren. Aber für mich ist es so etwas wie ein „Nicht-Todes-Tag“, den man durchaus feiern kann. Das klingt vielleicht makaber, aber es ist wahr.
Wie oft habe ich diese Sprüche gehört: „Heutzutage kann man mit Diabetes ein ganz normales Leben führen – noch vor 100 Jahren war die Diagnose tödlich!“. Zum einen Ohr rein, zum anderen wieder raus. So abgedroschen sind diese Sätze.
Aber wahr sind sie doch. So sehr, dass man sie vielleicht gar nicht wahr haben will. Nicht darüber nachdenken will, was gewesen wäre, wenn. Denn vor der Entdeckung des Insulins im Jahr 1921 lag die Lebenserwartung nach der Diabetes-Diagnose bei maximal drei Jahren.
Fakt ist also: Wenn ich vor 100 Jahren die Diagnose Typ 1 Diabetes bekommen hätte, wäre ich nun aller Wahrscheinlichkeit nach tot. Glücklicherweise lebe ich im Jahr 2016. Und ich lebe.
In den vergangenen Jahren war mir der Wert dieser Erkenntnis nicht wirklich bewusst. Diabetes hat lange Zeit keine große Rolle gespielt, er lief nebenher und ich kümmerte mich gerade nur so viel um ihn, wie ich unbedingt musste. Wenn überhaupt.
Heute sieht das anders aus. Die Tatsache, dass mir überhaupt erst die Chance gegeben wurde, dieser Krankheit jeden Tag die Stirn zu bieten, spornt mich dazu an, immer wieder mein Bestes zu geben. Ich informiere mich, lese und schreibe über Diabetes, tausche mich mit anderen aus, besuche Veranstaltungen und mache Experimente. Ich versuche, die Chance zu nutzen.
An manchen Tagen droht es mich auch auszubrennen. Gerade seit ich in Stockholm Lisas schwere Unterzuckerung miterlebt habe, ist mir noch einmal klar geworden, was für ein mieses Arschloch Diabetes sein kann. Wie unberechenbar, hart und gemein.
Aber Lisa steht noch. Und ich auch. Nach so vielen Jahren mit so vielen Höhen und Tiefen stehen wir immer wieder auf, streifen unser unsichtbares Superheldenkostüm über, bewaffnen uns mit Insulin und Zucker und ziehen hinaus in den Tag. Das ist harte Arbeit, macht nur selten Spaß und ist nun wirklich nicht das „normale“ Leben, von dem immer die Rede ist. Es ist viel mehr!
Wir tun mehr, als nur zu überleben, nicht zu sterben. Und natürlich feiere ich heute mehr, als bloß die Tatsache, dass ich nicht tot bin. Ich feiere, dass ich die Chance habe und die Chance nutze, mein Leben so zu leben wie ich es will.
Ein Leben voller Begegnungen, Herausforderungen, Abenteuer und Cupcakes!
11 Comments
Beate
16. Juni 2016 at 12:40Super geschrieben, du sprichst mir wieder aus der Seele 🙂
Steffi
17. Juni 2016 at 7:49Danke! <3
Antje
16. Juni 2016 at 13:10Happy diaversary, liebe Steffi! Ich finde, das ist auch jedes Jahr wieder ein ganz besonderer Tag, der mir Gänsehaut macht, wenn ich daran denke, wie sehr sich mein Leben dadurch verändert hat.
Steffi
17. Juni 2016 at 7:51Danke dir! 🙂
Thomas
17. Juni 2016 at 19:14Da ist wirklich was dran. Habe meinen „einser“ seit 1980. Es hat sich vieles verbessert seither – technisch. Aber dieses „Monster“ dürfen wir nie aus den Augen lassen und das hat mich zu einem anderen gemacht – wohl viel toleranter und „bewusster (er)lebend“. Letztes highlight ist ein free style libre seit 10 Tagen – habe noch nie zuvor eine so schöne lange Zeit ohne Pieks gehabt – eine völlig neue kleine Freiheit.
Danke für deine tollen posts. Und Dir weiterhin die nötige Energie und Hartnäckigkeit.
Ute Vater
26. Juni 2016 at 16:38Liebe Steffi!
Du hast toll geschrieben!
Danke für die nochmalige Bewusstwerdung!
Unsere Tochter hat dieses Jahr am 4. April die Diagnose Diabetes 1 bekommen, ihr 12. Geburtstag!
Als Mutter muss das ganze erst noch richtig ankommen! Dein Text ist sehr wertvoll und man sollte dankbar sein, dass wir im Jahre 2016 lebe !
Ich werden seinen Beitrag auf meine fb-Seite posten und würde mich sehr über dein gefällt mir freuen!
LG Ute
Ute Vater
26. Juni 2016 at 16:48Hallo Steffi! Danke für deinen Text!
Unsere Tochter hat am 4. April diesen Jahres die Diagnose Diabetes 1 bekommen. Es war ist 12. Geburtstag.
Als Mutter ist es noch nicht du ganz angekommen!
Natürlich hast du recht, mit der Dankbarkeit!
Ich poste deinen Beitrag auf meine fb-Seite. Würde mich sehr über ein gefällt mir freue. LG Ute
Steffi
28. Juni 2016 at 7:50Liebe Ute,
vielen Dank für deinen Kommentar. Ich drücke euch die Daumen für die Zukunft und bin sicher, dass die Kleine das mit deiner Hilfe meistern wird!
Viele liebe Grüße und ganz viel Mut und Kraft,
Steffi
Jahresrückblick 2016 - PEP ME UP Diabetes Blog
31. Dezember 2016 at 19:01[…] Juni das verflixte siebte Jahr hinter uns gelassen haben! Logisch, oder? 😉 Ich jedenfalls habe mein 7. Diaversary gebührend […]
Freestyle Libre - Erfahrungsbericht - PEP ME UP Diabetes Blog
13. November 2017 at 15:05[…] Seit vielen Jahren begleitet mich das Diabetes-Monster. Tag ein. Tag aus. Mit der Zeit gab es so einige Aufs und Abs und natürlich auch einige Veränderungen. Aber in all den Jahren hat wirklich nichts mein Leben mit Diabetes so sehr verändert wie das Freestyle Libre. […]
Freestyle Libre - Erfahrungsbericht - PEP ME UP Diabetes Blog
24. Februar 2019 at 20:35[…] Seit vielen Jahren begleitet mich das Diabetes-Monster. Tag ein. Tag aus. Mit der Zeit gab es so einige Aufs und Abs und natürlich auch einige Veränderungen. Aber in all den Jahren hat kaum etwas mein Leben mit Diabetes so sehr verändert wie das Freestyle Libre. […]